Gedanken und Geschichten zum Buch: "Spielend in die Kraft"
Teil 1
Kennst du das?
Du kommst mit etwas in Berührung
und erlebst es mit „Haut und Haar“, mit allem was dich gerade ausmacht?
Du entdeckst etwas Neues, ohne es zu bewerten oder einzuordnen?
Ich liebe diese Qualität der unmittelbaren Erfahrung und zugleich bedauere ich,
das sie viel zu selten Teil meines Lebens ist.
Es geht um eine Form des DA seins, zu der wir als Erwachsene manchmal gar nicht mehr so leicht Zugang finden. Oft ordnen wir dieses Erleben der Zeit der Kindheit, und des Spiels zu.
Aber die absichtslose, unmittelbare Begegnung mit dem Leben ist so etwas wertvolles, das wir uns nicht zu leichtfertig davon verabschieden sollten :-)
Im Augenblick, in dem wir in diese Art der Erfahrung eintauchen, kommen wir in Einklang mit uns selbst und mit dem was uns umgibt. Neue Welten können sich auftun, die wir mit unseren Gedanken allein gar nicht erschliessen könnten. Aber das Schönste daran ist, die Verbundenheit die uns diese Momente schenken.
Ich möchte euch dazu eine kleine Geschichte erzählen, die ich auf Island erlebt habe. Sie spielt sich im Rahmen einer multimedialen, interaktiven Videoperformance im Harpa Konzerthaus in Reykjavik ab.
Wir, eine Gruppe von vielleicht 15 Erwachsenen und 2 Kindern, befinden uns im Innenraum eines rechteckigen, riesigen Würfels, an dessen Betonwände die Farb- Klang- und Bewegungsinstallation projeziert wird.
Die Erwachsenen stehen, das Geschehen konzentriert beobachtend, in der Mitte des Raumes. Das Thema der Visualisierung ist das Wesen der Natur Islands. Wild flackern abstrakte und farbgewaltige Formen über die Wände. Sie lassen uns Vulkankrater, Lava und weitläufige Landschaften assoziieren.
Etwas müde vom Tag, setze ich mich an eine der Wände gelehnt auf den Fussboden. Die 2 Kinder bemerken es und schauen zuerst mich und dann ihre Eltern fragend an. Sie sind im Alter von ca. 5 und 6 Jahren. Sie machen aus dem fragenden Blick ein Spiel und rutschen langsam auf den Knien immer weiter Richtung Wand. Dort angekommen beginnen sie nach den flackernden Farben auf der Wand zu greifen und versuchen diese kichernd und hüpfend einzufangen.
Kritische Blicke von den Umstehenden, gestresste, mühsam ruhig bleibende Eltern, die versuchen, die Kinder an deren Armen ziehend wieder in die Mitte des Raumes und zur Ruhe zu bewegen. Aber die Kinder lassen sich nicht mehr „einfangen“. Zu spannend sind die inzwischen wie Feuer von den Wänden laufenden Farben. Die rhythmische Musik verleitet den jüngeren der beiden Jungen dazu, zu singen und zu tanzen. Ich sehe wie die Eltern immer angespannter werden und nicht so recht wissen wie sie die Kinder zur Ruhe bringen sollten.
Aber da geschieht etwas überraschendes. Eine neben mir stehende Frau tuschelt leise mit ihrer Nachbarin und deutet immer wieder auf die Wand vor der inzwischen beide Jungen ausgelassen tanzen und hüpfen.
Und da sehe ich es plötzlich auch!
Die Farben und Bewegungen auf den Wänden kommunizieren mit den Kindern. Wenn sie die Hände hochwerfen, stieben tausende von Feuerfunken an dieser Stelle auf. Wenn sie die Wand mit ihren Händen berühren, türmt sich das Wasser und die darin umherschwimmenden Eisbrocken über ihnen auf. Zischende Risse und Erdspalten aus denen Dampf und Lava austritt werden von ihrem Tanz entfacht, umso wilder je wilder sie tanzen.
Die Frau neben mir beginnt auch ganz sachte mit den Hüften zu schwingen. Ihre Begleiterin schaut sich etwas unsicher um, tut es ihr dann aber gleich. Ein Lächeln gleitet über ihr Gesicht. Die Menschen beginnen sich nach und nach zu bewegen. Die ersten gehen auf die Wand zu und berühren sie vorsichtig. Auch da stieben die Funken aus der gleißenden Lava auf.
Es ist als würde das Leben auf die zarten Versuche der Erwachsenen antworten:
Ja, nur zu, es funktioniert auch bei dir!
Als nach einer halben Stunde die Projektion zu Ende ist, verlässt keiner von uns den Raum. Alle bleiben bis zum Ende der dritten und letzten Aufführung an diesem Abend. Der Raum ist erfüllt von einem stillen Lächeln, das uns alle, ohne Worte miteinander verbindet.
Glücklich kehre ich am Abend zurück.
Wie leicht war das! Wie wenig hat es gebraucht. Nur das Erkennens, das das Leben uns zu diesen Momenten einlädt, das es uns immer antwortet und das es uns die Hand reicht teilzuhaben, immer und immer wieder.
Kinder „wissen“ das.
Lasst euch einladen von ihnen.
Das ist Leben.
Mehr dazu bald!
Armgard
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